Fachkräftenachwuchs in der Kindertagesbetreuung – eine Zwischenbilanz

Nachdem wir bereits mehrmals den Fachkräftemangel in Kindertagesstätten thematisiert haben, wollen wir verfolgen, was sich zwischenzeitlich getan hat und welche Wirkung mit den aufgelegten Förderprogrammen wie „Mehr Männer in Kitas“ (Laufzeit 2011 bis 2013) und „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“ bis heute erzielt werden konnte.

Zu den nackten Fakten:

KindertagesbetreuungDie Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte, kurz WiFF, legte im April dieses Jahres die zentralen Ergebnisse des Fachkräftebarometers Frühe Bildung 2017 vor. Demnach ist der Arbeitsmarkt Frühe Bildung nach wie vor durch einen enormen Frauenanteil geprägt. Der Erzieherberuf bleibt also weiterhin eine Frauendomäne, kann allerdings durch den geringen Akademisierungsgrad, eine hohe Teilzeitquote sowie geringe Aufstiegschancen nicht besonders glänzen.

Nichtsdestotrotz ist der Arbeitsmarkt im Bereich Kindertagesbetreuung mächtig in Bewegung: Die Anzahl pädagogischer und leitender Mitarbeiter hat sich zwischen 2006 und 2016 mehr als verdoppelt. Mit den zusätzlich 43.500 in der Kindertagespflege Beschäftigten sind somit rund 615.000 Personen in der Kindertagesbetreuung tätig und damit fast genauso viele wie Lehrer im allgemeinbildenden Schulsystem.

Beschäftigungsbedingungen für Erzieher sind vielversprechender denn je 

Mit einem Zuwachs von 15 % zwischen 2012 und 2015 boomt der Arbeitsmarkt in der Frühen Bildung und gehört damit zu Deutschlands wachstumsstärksten Arbeitszweigen. Neben vergleichsweise stabilen Beschäftigungsverhältnissen, wenngleich oft befristet oder in Teilzeit, profitieren Erzieher auch von gestiegenen Gehältern. Zudem erreicht die Arbeitslosenquote in der Frühen Bildung mit lediglich 1,6 % einen erfreulichen Tiefststand.

Kita-Fachkräfte = weibliche Teilzeit-Erzieherinnen?

Die massive Personaloffensive der letzten Jahre hat die Beschäftigtenstruktur in Kindertageseinrichtungen allerdings nicht grundlegend beeinflusst. So stieg der Männeranteil von 2006 mit 3,1 % bis  2016 mit 5,4 % (leider) nicht im gewünschten Maß. Auch das Qualifikationsniveau bleibt zwischen 2006 und 2016 weitgehend konstant: Sieben von zehn Fachkräften können einen Abschluss als staatlich anerkannte Erzieher und nur 5,3 % einen einschlägigen Hochschulabschluss nachweisen. Ebenfalls stabil ist die Relation von Voll- und Teilzeitarbeitsplätzen: Sechs von zehn Personen sind 2007 wie 2016 in Teilzeit tätig.

Weiteres Ergebnis: In altersgemischten Einrichtungen und/oder mit erweiterten Öffnungszeiten sind zumeist größere Teams tätig.

Bund und Länder in der finanziellen Offensive

Auf Vorschlag der Berliner Initiative gegen den Erziehermangel beschloss die Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) im Mai dieses Jahres, den Antrag zur Fachkräftegewinnung und den Erzieher als Mangelberuf anzuerkennen. In dessen Folge wird von Bund und Ländern ein Maßnahmenpaket zur Fachkräftesicherung erarbeitet, das u.a. eine detaillierte Analyse der Erziehersituation, flexiblere Arbeitszeitmodelle, Attraktivierung der Erzieherausbildung sowie Förderung des dritten Ausbildungsjahrs beinhaltet. 

Zudem wird sich der Bund stärker als bisher finanziell an der Kindertagesbetreuung beteiligen und damit zu einer spürbaren Qualitätsverbesserung im Kita-Bereich beitragen. So sollen Bundesmittel auf Basis länderspezifischer Zielvereinbarungen etwa gezielt in die Fachkräftegewinnung, inklusive Pädagogik oder ggf. Gebührenfreiheit fließen.

So sollen etwa in Brandenburgs Kindertagesstätten bis 2018 500 neue Erzieherstellen geschaffen werden, um den Personalschlüssel pro Fachkraft von aktuell 12 auf 11 Kinder zu verbessern.  In Hamburg werden jeweils zum 1. Januar der Jahre 2018 bis 2021 zusätzlich jeweils mehr als 500 Fachkräfte eingestellt. In Bremen steht neben dem massiven Ausbau an Betreuungsplätzen die notwendige Wertschätzung des Berufsfeldes, die Entlastung der Fachkräfte sowie die Entwicklung fachlicher und altersgerechter Perspektiven im Fokus. In Niedersachsen werden in den kommenden Jahren etwa 300 Millionen Euro für eine bessere Personalausstattung, insbesondere für Einrichtungen mit einem hohen Ausländeranteil, in die Hand genommen. Und so könnten wir die Aufzählung weiter fortsetzen.

Ausbildung in der Frühkindlichen Bildung

Die Neueinstellung von tausenden Fachkräften setzt entsprechende Ausbildungskapazitäten voraus. So stieg die Zahl der Absolventen im Bereich frühe Bildung an Berufsfachschulen, Fachschulen und Hochschulen seit dem Schuljahr 2007/08 um mehr als 40 %. Im Jahr 2015 schrieben sich zudem 2.342 junge Frauen und Männer in Studiengänge „Pädagogik der frühen Kindheit“ ein. Aber deckt dies dauerhaft den Fehlbedarf? Nein.

Problem Fachkräftemangel gelöst?

Auch wenn bis 2025 voraussichtlich 260.000 neu ausgebildete Fachkräfte in frühkindliche Arbeitsbereiche einsteigen könnten, so verlassen in diesem Zeitraum aus Alters- oder Gesundheitsgründen etwa 171.000 Beschäftigte das Berufsfeld. Zudem trägt der Geburtenanstieg, die Zuwanderung von Flüchtlingsfamilien sowie die anhaltend hohe Nachfrage nach Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren dazu bei, dass der Personalbedarf noch weiter steigt und sich der Fachkräftemangel verfestigt. Wenn parallel noch die Qualität der Kindertagesbetreuung z. B. durch einen optimierten Betreuungsschlüssel steigen soll, müssten die Ausbildungskapazitäten der Frühen Bildung weiterhin beträchtlich ausgedehnt werden.

Weg mit den „alten Hüten“

Die stetig steigenden Erwartungen von Eltern, Gesellschaft und Politik an die Frühe Bildung erfordern neben einer modernen und anforderungsgerechten Ausbildung auch die Entwicklung eines attraktiven Berufsbildes inklusive Gehalt. So haben Kindertagesstätten schon längst das Klischee als Kinderaufbewahrungsanstalt verloren und setzen im Rahmen der Kindertagesbetreuung ihren Betreuungs-, Erziehungs- und Bildungsauftrag um. 

Auch für junge Akademiker, die sich mit komplexen Pädagogik- und Managementaufgaben innovativ und offensiv auseinandersetzen können, bieten sich in der Frühen Bildung besondere berufliche Perspektiven. Darüber hinaus besitzen geeignete Männer und Menschen mit Migrationshintergrund das notwendige Potenzial für die Ausübung von Sozialassistenten– oder Erzieherberufen.

Die Leitungs- und Betreuungsqualität in Kindertageseinrichtungen kann u.a. durch eine weitere Professionalisierung und Spezialisierung der Belegschaft erhöht werden. Dafür ist es notwendig, konsequent an geeigneten Weiterbildungen teilzunehmen und/oder sich als Einrichtung durch die Beteiligung an passenden Förderprogrammen (z. B. Sprach-Kita, Bewegungsförderung PAKT, Papilio) zu profilieren.

Schlussendlich ist die Anpassung der Aus- und Weiterbildungsstruktur erforderlich. So kann die Attraktivität sozialer Berufsausbildungen nur dann erhöht werden, wenn durch die Anerkennung von Vorleistungen oder erleichterte Zugangsvoraussetzungen mehr Chancen für Seiteneinsteiger oder anschlussfähige Höherqualifizierungen bestehen.

So hat etwa Hamburg zwischenzeitlich die Zugangsvoraussetzungen für Abiturienten erleichtert, um mehr Sozialpädagogische Assistenten und Erzieher für Kitas und Ganztagesschulen auszubilden. Demnach können leistungsstarke Schüler die Ausbildung durch ein nur viermonatiges Sozialpraktikum (ansonsten ein Jahr) verkürzen.

Mecklenburg-Vorpommern wirbt aktuell mit einer dreijährigen praxisorientierte Erzieherausbildung mit Ausbildungsvergütung zum „Staatlich anerkannten Erzieher 0-10“.

FAZIT:

Die Fachkräftegewinnung in der Kindertagesbetreuung hat Fahrt aufgenommen. Allerdings tragen das SP_logo16_Fazitaltersbedingte Ausscheiden von Erziehern, die räumliche Erweiterungen von Kitas durch die Geburtenzunahme und Qualitätsanforderungen (z. B. Betreuerschlüssel, Leiterausbildung), aber auch Personalfluktuation dazu bei, dass sich der Bedarf an qualifiziertem und belastbarem Personal auch zukünftig weiter erhöhen wird. 

 

 

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