Soziale Arbeit lebenslänglich – Spagat zwischen Motivation und Burnout

burnoutEgal ob in der Kinder- und Jugendhilfe, Streetwork, Schulsozialarbeit, Drogen- und Suchthilfe, Erwachsenenbildung, Sonder- und Heilpädagogik, Kinder- und Jugendschutz, Strafvollzug oder in der sozialpädagogischen Arbeit mit Familien, Kranken, Menschen mit Behinderungen, alten Menschen oder Flüchtlingen – die Soziale Arbeit stirbt nie aus.

Ganz im Gegenteil: Die demografische Entwicklung, steigende (berufliche) Herausforderungen, zunehmend unbeständige Familienverhältnisse, problematische Lebenslagen, Verlust- und Versagensängste, Gewalterfahrungen oder sich verändernde Geschlechterrollen quer durch alle sozialen und Altersschichten führen zu immer höheren Bedarfen an sozialpädagogischer Begleitung, Betreuung und Beratung sowie sozialer Hilfen.

Innerhalb dieser Prozesse nehmen Sozialpädagogen und Sozialarbeiter, aber auch Erzieher, Kinder-, Heil- und Sonderpädagogen sowie Menschen in sozialen Assistenzberufen eine Schnittstellenfunktion ein. Aber wie viel Härte, Abgeklärtheit, Coolness und Gelassenheit ist eigentlich notwendig, um über eine längere Zeit oder auch ein Berufsleben lang in menschlichen Problemen und Abgründen aller Coleur zu wühlen, sich mit schwierigen Klienten auseinander zu setzen oder in verschiedenste gesellschaftliche Milieus einzutauchen? Wie viel Zufriedenheit können aber soziale Arbeitsfelder bieten, um daraus neue Motivation zu schöpfen? Welche Auswirkungen hat der Umgang mit Misserfolgen? Welche Gefahren bergen das „soziale Helfer-Syndrom“ und Selbstüberschätzung?

Motivationskiller Personalführung?

Neben den ganz individuellen Voraussetzungen und Beweggründen, sich in der Sozialen Arbeit beruflich oder auch ehrenamtlich zu engagieren, spielt das Arbeitsklima im Team und das Führungsverhalten der Leitungspersonen eine zentrale Rolle.

Enthusiasmus hin oder her – wenn es am Arbeitsplatz oder im Ehrenamt regelmäßig Zoff gibt, Personen ungleich behandelt, Fehler unsachlich bewertet und Innovationen behindert werden, die Arbeitsatmosphäre von Misstrauen und Neid geprägt ist, aber auch Vorgesetzte nicht in der Lage sind, Impulse zu geben, den Team Spirit zu nutzen, Anreize zu setzen, schwelende Konflikte zu lösen, einen möglichst breiten Konsens zu schaffen und Veränderungen anzustoßen, erstickt die Motivation jedes Mitarbeiters früher oder später.

Beruflich relevante Entscheidungen gemeinsam zu treffen, mögliche Herangehensweisen umfassend zu diskutieren, Ideen und Kreativität einzufordern und umzusetzen, Netzwerke zu nutzen und dennoch selbstständiges Arbeiten zu fördern, aber auch kollegiale Schieflagen wahrzunehmen und konstruktiv zu lösen, auch wenn hin und wieder die sprichwörtlichen Fetzen fliegen, sind die Voraussetzungen für berufliche Motivation, Effektivität und Selbstbewusstsein.

Auch eine anforderungsgerechte Selbstreflexion, die Bewertung von Handlungsergebnissen, die Weiterentwicklung bzw. Änderungen von Handlungszielen sowie Supervision können eine klare Arbeitsatmosphäre wesentlich unterstützen.

Soziale Arbeit und Gehalt

Freilich arbeiten die Fachkräfte im Sozialwesen nicht nur aus Spaß an der Freude oder innerer Überzeugung, sondern auch, um damit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, Anerkennung zu erhalten, Leistungen für die Gemeinschaft zu erbringen sowie seinen (ethischen) Idealen nachzujagen und eigene Ziele zu verwirklichen.

Nichtsdestotrotz kann auch ein gutes Gehalt meist die persönliche berufliche Unzufriedenheit auf Dauer nicht aufwiegen. Wer täglich demotiviert und mit einem unguten Gefühl zur Arbeit geht, sich nicht ernst genommen und beteiligt fühlt, kommt über den Dienst nach Vorschrift nicht hinaus und mutiert immer weiter vom kreativen Gestalter zum gleichgültigen Mitläufer.

Anders herum: Ein hohes Gehalt ist in der Sozialen Arbeit (und nicht nur dort) zwar ein Lockmittel, aber kein Garant für eine hohe Arbeits- und Prozessqualität, wenn die Frauen und Männer vom Fach nicht dazu bereit sind!

Soziale Arbeit und Misserfolge

Soziale Arbeit beinhaltet die zielgerichtete Arbeit und Auseinandersetzung mit Menschen verschiedenster Lebens- und Problemlagen, die etwa durch individuelle Hilfen, Zielvereinbarungen oder Maßnahmenkonzepte gesteuert wird. Trotz aller Kontrakte richten sich soziale Prozesse nicht nach starren Plänen, sondern unterliegen oft einem ständigen Auf und Ab, kurzfristigen Richtungsänderungen oder Umwegen. Kinder und Jugendliche lassen sich ebenso wenig in ein Korsett pressen wie Suchtkranke, die Entzug bzw. Therapie nicht mit aller Konsequenz durchziehen.

Auch wenn es (meist) der Anspruch von Sozialarbeitern und Sozialpädagogen ist: Der (messbare) Erfolg Sozialer Arbeit beträgt in den seltensten Fällen 100 %. So handeln Klienten oft anders als es Sozialarbeiter erwarten, der ausgehandelte Plan es vorsieht oder der Zeitplan gesteckt wurde. Zudem kann nicht allen Kindern und Jugendlichen, Familien, Suchtkranken sowie behinderten, kranken und älteren Menschen geholfen werden bzw. nicht alle wollen Hilfe oder nehmen Unterstützung an.

Der professionelle Umgang und die Akzeptanz von beruflichen Misserfolgen ist für soziale Fachkräfte eine Grundprämisse. So ist etwa die vorzeitige Beendigung einer Ferienfreizeit wegen Fehlverhaltens oder fehlender Lebensmut beim Eintritt von gesundheitlichen Beschwerden bzw. Behinderungen, aber auch der Abbruch von Therapien oder Wiederholungsfälle häuslicher Gewalt sozialer Klienten nicht die Schuld der beteiligten Fachkräfte, sondern meist die Folgen komplex wirkender Einflussfaktoren.

Zwischen Helfer-Syndrom und Aufopferung

Allen helfen und die Welt retten zu wollen, ist der Wunsch und das Ansinnen vieler sozialer Fachkräfte. Aber Perfektion ist in diesem Metier kaum möglich. Selbst persönliche Aufopferung für die Klienten ändert nichts daran.

Sich vom beruflichen Umfeld und den hautnah erlebten Schwierigkeiten in allen Bereichen des Sozialwesens auch in der Freizeit zudecken und vereinnahmen zu lassen, erschwert die unvoreingenommenen Sichtweise auf das eigene Arbeitsfeld und macht gedankliche Ruhepausen fast unmöglich.

Eine professionelle Distanz zu sozialen Zielgruppen und deren individuellen Problemlagen trägt hingegen dazu bei, das eigene Privatleben selbstbewusst zu gestalten und den liebevollen Blick auf Familie und Freunde nicht zu verlieren. Anderenfalls besteht die Gefahr, selbst zu einem Fall Sozialer Arbeit zu werden.

FAZIT:SP_logo16_Fazit

Um in der Sozialen Arbeit ein Leben lang motiviert tätig sein zu können, sind ein funktionierendes Arbeitsumfeld und die geeignete Einordnung des eigenen Tätigkeitsfeldes ins Lebensregime zentrale Grundbedingungen. Das Gehalt ist eine der Rahmenbedingungen, jedoch nicht die Kernfrage.

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