Freiwilligendienste und Soziale Arbeit – Sprungbrett oder Zeitverschwendung?
Sprungbrett ja, Zeitverschwendung nein! Freiwilligendienste – Jugendfreiwilligendienste und der Bundesfreiwilligendienst – stehen hoch im Kurs. Ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ), ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) oder der Internationale Jugendfreiwilligendienst (IJFD) bietet jungen Frauen und Männern bis zu 27 Jahren Chancen zur beruflichen Orientierung und ermöglicht zugleich, Anderen etwas Gutes zu tun. Bei praktischen Arbeiten in gemeinnützigen Einrichtungen, im Natur- und Umweltschutz oder bei Hilfsprojekten im Ausland können junge Leute nicht nur Schlüsselqualifikationen erlangen, an Selbstständigkeit gewinnen, Selbstbewusstsein tanken und einen Einblick in die Arbeitswelt bekommen, sondern auch ihre Ausbildungs- und Beschäftigungsfähigkeit verbessern und für die Übernahme gemeinnütziger ehrenamtlicher Funktionen motiviert werden. Bei Jugendfreiwilligendiensten spielen Schulabschlüsse, soziale Herkunft oder Einkommenssituation keine Rolle.
Insgesamt bietet das FSJ für Frauen und Männer eine vielseitige Trägerlandschaft mit klassischen Einsatzmöglichkeiten (z. B. Altenpflegeeinrichtungen, Rettungsdienste, Kindertagesstätten und Schulen). Das FSJ im Sport zielt etwa auf die Gestaltung vielfältiger Vereinsangebote sowie die pädagogische Betreuung von Kindern und Jugendlichen, im Kulturbereich kommen Musikschulen, Theater, Museen oder künstlerisch-kreative Einrichtungen in Frage, und in der Denkmalpflege sind insbesondere handwerkliche Fertigkeiten erforderlich.
Im Freiwilligen Ökologischen Jahres (FÖJ) engagieren sich junge Erwachsenen in verschiedenen Bereichen des Umwelt- und Naturschutzes (z. B. Landschafts-, Forst- und Tierpflege, ökologischen Landwirtschaft, Gartenbau, Natur- und Umweltschutzverbände, Umweltbildungseinrichtungen, Unternehmen mit Umweltkompetenz) und können so ökologische Zusammenhänge und die Belange des Umweltschutzes verstehen lernen.
Mit dem Internationalen Jugendfreiwilligendienst (IJFD) können junge Frauen und Männer einen freiwilligen Dienst im Sozial- und Bildungswesen, der Ökologie, in Kultur, Sport und der Denkmalpflege sowie in der Friedens- und Versöhnungsarbeit im Ausland leisten und damit interkulturelle Kompetenzen erwerben und gesellschaftspolitische Erfahrungen in anderen Kulturen sammeln.
Jugendfreiwilligendienste dauern i.d.R. 12, mindestens aber sechs und höchstens 18 Monate und sind ganztägig abzuleisten. Es handelt sich jedoch nicht ein Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis, sondern um ein Bildungsjahr!
Ein Engagement für die Allgemeinheit ist auch im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes für Menschen jeden Alters außerhalb von Schule und Beruf möglich. Die Einsatzgebiete ähneln mit Ausnahme des Auslandseinsatzes denen im FSJ und können im sozialen, ökologischen und kulturellen Bereich, im Sport, der Integration sowie im Zivil- und Katastrophenschutz liegen.
Freiwilliges Soziales Jahr oder Bundesfreiwilligendienst (BFD)?
Zielgruppe des Freiwilligen Sozialen Jahres sind junge Frauen und Männer zwischen 16 und 26 Jahren, währenddessen sich als sogenannte „Bufdis“ Frauen und Männer von 16 bis 99 nach Erfüllung ihrer Vollzeitschulpflicht engagieren können. Als Einsatzorte kommen gleichwohl gemeinwohlorientierte Einrichtungen wie etwa der Kinder- und Jugendhilfe, außerschulischen Jugendbildung, Jugendarbeit, der Wohlfahrts-, Gesundheits- und Altenpflege, der Behindertenhilfe, der Kultur- und Denkmalpflege, des Sports, der Integration, des Zivil- und Katastrophenschutzes sowie des nachhaltigen Umwelt- und Naturschutzes in Frage.
Während beim FSJ neben der praktischen Berufsorientierung und dem Erwerb von Lebenserfahrungen auch die Überbrückung von Wartezeiten bis zur Ausbildung bzw. Studium oder die Anerkennung als Praktikum z. B. für eine Erzieherausbildung Ziel ist, bietet der BFD auch Menschen mit einer bereits abgeschlossenen Berufsbiografie oder Arbeitssuchenden die Perspektive, gebraucht zu werden und Gutes zu tun.
Soziale Arbeit auf Probe
Insbesondere im Sozialwesen bieten Freiwilligendienste die Chance, sich in der Vielfalt der Berufsfelder auszuprobieren, seine Stärken herauszufinden und die so gewonnenen Erfahrungen mit den eigenen Vorstellungen zu vergleichen. Die Eignung für die Arbeit in der Kindertagesbetreuung, in Wohngemeinschaften, in Alten- und Pflegeheimen sowie ambulanten Sozialdiensten, in Krankenhäusern, Behindertenwerkstätten oder mit straffälligen Jugendlichen setzt nicht nur persönliches Interesse, sondern auch pädagogisches Geschick sowie die Fähigkeit zur Übernahme von pflegerischen, familienentlastenden, hauswirtschaftlichen und Verwaltungstätigkeiten sowie Freizeitbetreuung, Begleitdiensten, Assistenz oder Mobilitätsunterstützung voraus.
Selbst wer sich etwa als Erzieher in der Frühpädagogik nicht wohlfühlt, kann sich in der Arbeit mit Kranken, Betagten oder Behinderten verwirklichen und umgekehrt.
Fakt ist: Soziale Arbeit in all ihren Facetten taugt nicht als Spielwiese für Selbstdarsteller, sondern lebt von Verantwortung, Selbstorganisation, Partizipation, sozialen Kompetenzen, Teamgeist und Empathie.
Freiwillig ja, umsonst nein
Finanziert werden die Freiwilligendienste aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF), vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie ggf. den Bundesländern. Womit kann ein Freiwilliger rechnen, wenn er sich engagieren will?
Neben den ideellen Vorteilen von Freiwilligendiensten wie erste Erfahrungen in der Arbeitswelt, im Umgang mit Menschen, Ausprobieren und Weiterbildung erhalten Freiwillige ein von der Einsatzstelle abhängiges monatliches Taschengeld, ggf. auch Verpflegung, Unterkunft und Arbeitskleidung. Zudem trägt die Einsatzstelle die Beiträge zur Sozialversicherung. Welche Höhe das Taschengeld hat und wie es sich mit Urlaub, Wohngeld oder Hilfe zum Lebensunterhalt verhält, darüber können Sie auf den einschlägigen Internetpräsenzen detailliert informieren.
Weiterbildung bei sozialen Freiwilligendiensten
Freiwilligendienste beinhalten neben praktische Arbeiten in sozialen Einrichtungen auch die Teilnahme an einer festgelegten Anzahl an Seminarentagen. Im Mittelpunkt stehen dabei der Erfahrungsaustausch mit den anderen Freiwilligen, die Reflexion der Tätigkeiten in den Einsatzstellen, der Wissenserwerb zu ausgewählten praxisbezogenen Themen, die kritische Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftspolitischen Fragen sowie kreative Impulse.
In den Einsatzstellen werden die Freiwilligen durch Fachkräfte pädagogisch begleitet, die nicht nur Ansprechpartner sind, sondern auch Lernziele festlegen, Lernerfolge einschätzen und bereits Erreichtes reflektieren. Somit ist gewährleistet, dass aus Freiwilligendiensten neben Fachwissen und Erfahrungen auch gestärkte Persönlichkeiten hervorgehen.
Kampf um die Anerkennung freiwilligen Engagements
Die Qualität und Wirksamkeit freiwilligen Engagements wird von den rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen bedingt. So spielt ähnlich wie beim Ehrenamt die Wertschätzung und Anerkennung eine Schlüsselrolle. Obwohl meist keine finanziellen Gedanken im Vordergrund stehen, so haben Freiwillige doch mehr oder weniger lange Wege zu ihrer Einsatzstelle zu absolvieren und sind dabei häufig auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen. Daher wird seit einiger Zeit gefordert, dass die Freiwilligen z. B. mit einer Card kostenfrei zu ihrer Dienststelle gelangen sollten. Zudem würde damit der Zugang zu Freiwilligendiensten generell erleichtert. Nichtsdestotrotz ist es angeraten, die Anerkennungskultur auch in diesem Bereich stetig weiter auszubauen und die ideellen Anreize für ein gesellschaftliches Engagement zu erhöhen.
Aktuell besteht u.a. die Forderung, Freiwilligendienste auch für Inklusion auszugestalten und die dafür notwendige Assistenz zu ermöglichen.
FAZIT:
Freiwilligendienste sind auch im sozialen Bereich eine geeignete Möglichkeit, ins Berufsfeld zu schnuppern und die Eignung für soziale Berufe zu testen. Gleichzeitig braucht unsere Gesellschaft aktives freiwilliges Engagement, von dem nicht nur die Freiwilligen durch ihre Erfahrungen, sondern auch die Einrichtungen mit ihren Aufgaben und Zielgruppen profitieren.
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