Grenzen überwinden – Freizeit- und Erlebnispädagogik in der sozialen Arbeit

Mit Freizeit meinen wir den Freiraum, den wir neben Schule, Arbeit und Schlaf zu unserer individuellen Verfügung haben und selbst gestalten können. Im privaten Umfeld haben wir (meist) das Bedürfnis, diese kostbaren Minuten, Stunden oder Wochen mit Familie und Freunden gesellig zu verbringen, unseren Hobbys zu frönen, Neues kennenzulernen, Spaß zu haben oder zu entspannen, Ruhe und Ablenkung zu finden.

Soziale Arbeit und Freizeitpädagogik

Freizeit- und Erlebnispädagogik zählt zu den anspruchsvollsten Betätigungsfeldern von Sozialpädagogen und Sozialarbeitern, auch von Erziehern und Lehrern.

Kinder und Jugendliche schlagen ihre Freizeit nicht alleine oder in der Clique tot, sondern unter dem Deckmantel Sozialer Arbeit? Was soll daran wertvoll sein?

Erstens gilt Freizeit heute als wichtiges Identitätsmerkmal. Daher sollten Kinder möglichst frühzeitig erlernen, ihre Freizeit sinnvoll bzw. persönlichkeitsfördernd zu verbringen.

Zweitens ist im sozialen Umfeld – in der Schule, der Jugendgruppe, dem Sportverein oder der Kinder- und Jugendhilfe – „Freizeit“ in oder außerhalb von Freizeiteinrichtungen keine Beschäftigungstherapie, sondern ein geeignetes Mittel für die gezielte Steuerung von Problemen und Prozessen von Erziehung und Bildung. So dient „Freizeit“ der Selbstfindung und zugleich der Aneignung von Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnissen sowie sozialen, kulturellen und kreativen Handlungskompetenzen, deren lebenspraktischen Erprobung oder dem Ausleben individueller Neigungen und Bedürfnisse.

Drittens kann Freizeit aus dem Blickwinkel sozialer Arbeit noch deutlich mehr: gruppendynamische Prozesse in Gang setzen, menschliche Interaktionen und partnerschaftliche Kommunikation beeinflussen, Partizipation, soziale Orientierung und gemeinsame Erfahrungen ermöglichen sowie das Selbstbewusstsein und die individuelle Konfliktfähigkeit stärken, Phantasie und Kreativität entwickeln, Bereitschaft zum Risiko erhöhen, den Team Spirit oder Gemeinschaftsbezug erlebbar machen, Mitbestimmung und Engagement ankurbeln oder Empathie befördern.

All diese (positiven) persönlich- und gesellschaftsprägenden Kompetenzen sind sowohl in andere Lebensbereiche wie Familie, Schule, Ausbildung und Beruf übertragbar als auch von der Gesellschaft mit Nachdruck gefordert.

Freizeit- und Erlebnispädagogik in der Praxis

Freizeit- und erlebnispädagogische Maßnahmen werden angewandt, um die Persönlichkeit und Soft Skills durch Gruppen-Erfahrungen zu entwickeln. Dafür sind insbesondere Natursportarten wie Kanusport, Geocaching, Nachtwandern oder Orientierungslauf geeignet, die ein gemeinsam abgestimmtes Vorgehen und Verantwortungsbewusstsein für die Gruppenmitglieder voraussetzen.

Abenteuerpädagogischen Maßnahmen wie Klettern (auch Hochseilgarten), Segeln oder Rafting erfordern Wagnisbereitschaft, die Bündelung des eigenen Mutes, Risikobereitschaft und Selbstüberwindung, aber auch das Vertrauen in die Mitstreiter.
Auch ein Stehgreiftheater in der Fußgängerzone genügt einem abenteuerpädagogischen Anspruch, weil dafür, deutlich abweichend vom Alltag, die Überwindung der eigenen Grenzen (z. B. des Schamgefühls oder Angst vor der Blamage) notwendig ist.

Auch theaterpädagogische Projekte verhelfen etwa dazu, stets situationsorientiert sucht- oder gewaltpräventive Themen gemeinsam zu bearbeiten, Migranten zu integrieren und persönliche Meinungen auszudrücken, aber auch Sprache, Mimik, Gestik, Rhetorik und Körpersprache zu entwickeln.

Die Spielpädagogik mit ihrer Vielfalt an didaktischen Methoden, kommunikativen, interaktiven und motivierenden Möglichkeiten sowie Rollen- und Wahrnehmungsspielen findet insbesondere in der Bildung, Kultur und Jugendarbeit Anwendung, kann aber auch altersunabhängig in sozialen Betreuungseinrichtungen oder verschiedensten Wohnformen eingesetzt werden.

Erwartungen an die Freizeitpädagogik

Um mit freizeitpädagogischen Maßnahmen Erfolge zu erzielen – soziale Hierarchien aufzubrechen, emotionale Defizite und soziale Benachteiligungen auszugleichen, Randgruppen oder Flüchtlinge zu integrieren, Zugang zu problembelasteten Menschen zu finden und Personen in schwierigen Lebensphasen oder Gemütszuständen zu motivieren – bedarf es einer sehr durchdachten Herangehensweise und einer möglichst längerfristigen qualifizierten personellen Führung. Zudem erfordern derlei soziale Prozesse meist viel Geduld und Kontinuität.

Nicht zuletzt nutzen auch Unternehmen freizeitpädagogische Instrumente, um etwa bei Managern die Bereitschaft zu Kommunikation, Toleranz, Konfliktbewältigung und Vertrauen zu fördern, die Führung und Motivation der Mitarbeiter zu qualifizieren, aus Einzelkämpfern ein funktionierendes Team zu formen oder als Coaching.

Einsatzfelder von Freizeitpädagogen

Freizeitpädagogen finden berufliche Einsatzfelder beispielsweise in Ganztagesschulen, Jugendeinrichtungen, Jugendverbänden, in der Kinder- und Jugendhilfe, aber auch in der Altenbetreuung, Mehrgenerationenhäusern oder der Sonderpädagogik und Behindertenhilfe.

Der Weg zum Freizeitpädagogen

In akademischen Studiengängen wie Sozialpädagogik / Soziale Arbeit oder Erziehungswissenschaften sind freizeitpädagogische Themen ebenso Studieninhalt wie in der Ausbildung zum Staatlich anerkannten Erzieher oder teilweise beim Lehramtsstudium. So können Sie etwa an der Fachhochschule Düsseldorf im Bachelor Studiengang Sozialpädagogik / Soziale Arbeit (B.A.) Bewegungs- und Freizeitpädagogik als Studienschwerpunkt wählen.

Sofern jedoch Freizeitpädagogik einen großen Teil Ihres Berufsfeldes bestimmt, empfiehlt es sich, das im Studium erlangte Grundlagenwissen zu erweitern, zu vertiefen und zu spezialisieren.

Die Philipps-Universität Marburg hat einen Masterstudiengang Abenteuer- und Erlebnispädagogik (M.A.) im Programm, der u. a. die Phänomene Abenteuer und Erlebnis und deren Potenziale auf Bildungs- und Erziehungsprozesse aus fachwissenschaftlicher Sicht betrachtet.

Wenn Sie nicht so hoch hinaus möchten, können Lehramtsstudierende im Fach Sport alternativ eine Zusatzqualifikation Abenteuer- und Erlebnispädagogik absolvieren. Für bereits ausgebildete soziale Fachkräfte bietet sich ein berufsbegleitender 18-monatiger Zertifikatslehrgang Abenteuer- und Erlebnispädagogik in der Kinder- und Jugendhilfe an.

FAZIT:

Freizeit- und erlebnispädagogische Maßnahmen sind geeignet, um mit meist unkonventionellen Mitteln und Methoden soziale Erziehungs- und Bildungsprozesse aktiv zu unterstützen und persönlichkeitsfördernde Kompetenzen intensiv zu fördern.

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