Soziale Arbeit und der Weihnachtsmann – ein persönlicher Rundumschlag

 

Insbesondere in der Adventszeit und um die Weihnachtsfeiertage haben Spendenaktionen für Hilfsorganisationen oder Kinder- und Jugendprojekte Hochkonjunktur. Der Staat und die Gesellschaft erinnern sich – ähnlich einem jährlich wiederkehrenden Termin im Kalender – an hilfebedürftige Kinder, Benachteiligte, soziale Randgruppen, Migranten, Senioren oder unterfinanzierte Einrichtungen und Fachkräfte.

Parallel werden die in allen gesellschaftlichen Bereichen ehrenamtlich Tätigen beschworen, sich weiterhin und mit noch mehr Engagement für das Gemeinwohl einzusetzen. Ehrenamtler verhindern schließlich eine noch kältere Gesellschaft und halten etwa Sport- und Kulturvereine, soziale Initiativen wie Selbsthilfegruppen, Nachbarschaftshilfen oder Großelterndienste, Fördervereine zur Erhaltung von Kirchen, Umwelt- und Naturschutzorganisationen sowie Feuerwehren oder das Deutsche Rote Kreuz überhaupt (noch) über Wasser.

Doch was hat das eigentlich alles mit Weihnachten zu tun? Warum berühren uns in diesen Tagen soziale Schieflagen besonders und animieren uns sogar zu Spenden? Wollen wir kollektiv unser Gewissen beruhigen oder haben wir den Vorsatz, im neuen Jahr nicht nur zu Weihnachten gute Taten in der Sozialen Arbeit zu vollbringen?

Geteilte soziale Verantwortung – falsch gesetzte Schwerpunkte?

Das Kindertagesstätten, Jugendklubs, Mehrgenerationenhäuser, betreutes Wohnen und Schulsozialarbeit, aber auch Drogenberatungen sowie Einrichtungen der Sonderpädagogik existieren und funktionieren können, liegt in staatlicher Verantwortung. Die Umsetzung von Jugendförderplänen, Stützung von Teilnehmerbeiträgen für Ferienfreizeiten (z. B. Freizeitpädagogik) oder Hilfen zur Erziehung ist vordergründig Aufgabe der Landkreise. Pflegedienste für Hilfebedürftige und ältere Menschen sowie Seniorenheime betreiben häufig private Anbieter. Die sozialen „Zwischenräume“ werden von ehrenamtlich tätigen Vereinen, Verbänden oder Einzelpersonen mit Fachwissen, teils jahrzehntelangen Erfahrungen und unbezahlbarem Engagement ausgefüllt.

Warum gelingt es nicht, individuelle Unterstützungsleistungen insbesondere in der Kinder- und Jugendhilfe zu stärken und sozialräumliche Aufgaben mit hinreichend Steuermitteln finanziell zu untersetzen? Weil wir unsere Steuergelder vielleicht lieber in prestigeträchtige Objekte (z. B. Berliner Flughafen) versenken …

Warum sind Unternehmensmitarbeiter häufig kein funktionierendes Team mehr, sondern eine Reihe von zweckorientierten Egoisten? Weil die Geschäftsführung zwar Erfolg, aber vielleicht eher mit steuerbaren Einzelkämpfern anstatt mit harmonierenden Kollegen will …

Warum lassen wir zu, dass das gemeinsame Einkommen von Eltern oft nicht ausreicht, um Bildung, Gesundheit und gesellschaftliche Teilhabe zu gewährleisten? Weil wir es mit den Vielverdienern nicht verderben wollen …

Warum führen wir keine Schuluniform ein, um sichtbare soziale Unterschiede aus unseren Schulhäusern zu verbannen? Weil wir vielleicht einigen Eltern auf die Füße treten, die das als sozialen Abstieg empfinden …

Warum sehen wir uns Fernsehshows an, bei denen Menschen mit (gespielter) Dummheit reich werden? Weil wir vielleicht auch davon träumen, ohne Mühe ausgesorgt zu haben …

Fakt ist: Den Nährboden für soziale Differenzen, Bildungsungerechtigkeit und Intoleranz, aber auch für Neid, Egoismus, Aggressivität oder Kriminalität organisieren wir teilweise selbst! Der Staat zieht sich viel zu oft aus der Verantwortung, überlässt etwa die Bildung den Bundesländern, weist den Kommunen zwangsweise Flüchtlinge zu oder überträgt immer mehr Aufgaben an Vereine, Verbände, Stiftungen oder sonstige gemeinnützige Organisationen (auch Non-Profit-Organisationen). Wir erziehen keine Teamplayer mehr, für die Fairness und Anstand noch ethische Werte sind, sondern Einzelgänger, die fragen „Was hab ich davon?“ oder „Was bekomme ich dafür?“. Und wir suggerieren insbesondere Kindern und Jugendlichen, dass sie auch ohne ordentlichen Schulabschluss und Berufsausbildung zum Millionär werden.

Ehrenamt in der sozialen Arbeit = ein Amt für die Ehre?

Knapp 13 Millionen Deutsche waren 2014 ehrenamtlich tätig. Doch warum können wir heute kaum noch Menschen für ein Ehrenamt begeistern? Nicht, weil sich keiner mehr engagieren will, sondern weil förderliche Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Anerkennung fehlen.

Viele Arbeitgeber schätzen zwar das ehrenamtliche Engagement ihrer Mitarbeiter, können sich aber z. B. notwendige Freistellungen ohne finanziellen Ausgleich nicht leisten.

Wir investieren in unser Ehrenamt nicht nur viel Zeit, sondern werden auch zur Kasse gebeten. Wir nehmen Urlaub für notwendige Qualifizierungen – Bildungsurlaub für das Ehrenamt ist nicht bundeseinheitlich geregelt (z. B. möglich in Hessen, Mecklenburg-Vorpommern oder Hamburg) und tragen zum Teil Fortbildungs-, Fahrt- und Telefonkosten selbst.

Das Vereinsrecht inkl. der Steuergesetze gleicht einem Irrgarten, so dass für die Vereinsbuchhaltung ein (kostenpflichtiges) Steuerbüro beauftragt werden muss, um nicht irgendwann aus Unkenntnis haftbar gemacht zu werden.

Vereine, Verbände und Initiativen sterben aus, weil es an motiviertem Nachwuchs fehlt. Ehrenamt gilt schließlich nicht als cool oder chillig, bringt außer Stress nichts ein und zählt bei Bewerbungen für Lehrstellen, Studien- oder Arbeitsplätze nicht als Pluspunkt.

Gemeinsam für praktikable Lösungen

Nüchtern betrachtet: Unternehmen brauchen das Leistungsprinzip, mit Ehrenamt kann Großes geleistet, aber außer Ehre (oder noch nicht mal das) und Selbstzufriedenheit nichts geerntet werden, Soziale Arbeit wird von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen geprägt. Alles klar!

Aber: Soziale Arbeit braucht in ihrer ganzen Vielfalt von der frühkindlichen Bildung und Kindererziehung in den Kindertagesstätten bis zur häuslichen Pflege, vom ehrenamtlich Tätigen über Frauen und Männern als Quereinsteigern in Kitas bis zum Sozialwissenschaftler Kontinuität und finanzielle Sicherheit, die nur der Staat gewährleisten kann. In Kombination mit der Rückbesinnung auf ethische Werte und Moral, sozialem Engagement und Verantwortung für unsere Mitmenschen kann es in einem gemeinschaftlichen Kraftakt gelingen, unsere Gesellschaft für uns ganz persönlich und unsere Mitmenschen ein Stück attraktiver und lebenswerter zu gestalten.

Nutzen Sie Ihre Weihnachtsstimmung zum sozialen Aufbruch: Nehmen Sie Ihre Kinder in den Arm, klingeln bei Ihrem Nachbarn oder laden Ihre Familie und Freunde ein. Schauen Sie hin, was um Sie herum passiert. Nehmen Sie nicht alles hin, sondern mischen sich ein, hinterfragen und arbeiten mit!

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen frohe Weihnachten, friedvolle Feiertage, ein von Achtung und Respekt geprägtes Miteinander sowie soziales Engagement!

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