Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in der Sozialen Arbeit
Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit sind, verschärft durch den NSU-Prozess, das NPD-Verbotsverfahren und die Flüchtlingskrise, immer wieder Themen in der aktuellen Berichterstattung. Medienwirksame Propaganda, Kundgebungen und Konzerte am gesetzlichen Rand, (politisch) motivierte Übergriffe, steigende Gewaltbereitschaft und professionelle Vernetzungsstrukturen rufen die Gesellschaft auf den Plan. Dabei ist Rechtsextremismus nicht nur ein Fall für die Politik, sondern auch für die Soziale Arbeit. Doch was macht die rechtsextreme Szene besonders für Kinder und Jugendliche so attraktiv?
Obwohl Fremdenfeindlichkeit oder Gewaltbereitschaft nicht neu sind – bereits in den 1990er Jahren wurden mit dem Aktionsprogramms gegen Aggression und Gewalt in den neuen Bundesländern über 120 Projekte mit gewaltbereiten Jugendlichen gefördert – hat der Rechtsextremismus heute etwa durch gesellschaftliche und soziale Schieflagen, aber auch gefestigte Netzwerke, neue Parteien und Aktionen, die systematische Unterwanderung von Vereinen und Verbänden und nicht zuletzt „ideenreiche“ Sympathisanten eine neue Qualität erreicht.
Erschwerend kommt hinzu, dass heute viele rechtsextrem orientierte Kinder und Jugendliche nicht mehr als solche (öffentlich) erkennbar und durch die Medien völlig neue und anonyme Zugangswege zum Rechtsextremismus möglich sind.
Ursachen des Extremismus
Es gibt keinen typischen Weg zum Rechtsextremismus, sondern Extremismus – egal in welcher Form – profitiert meist von gesellschaftlichen Schwächen und individuellen Risikofaktoren. Die Hinwendung zum Rechtsextremismus kann auf ideologische Motiven, Zugehörigkeitsbedürfnis, familiären Vorbildern oder kindlichen Gewalterfahrungen beruhen, aber auch durch fehlende soziale Sicherheit, Desintegration, Benachteiligung, Perspektivlosigkeit, Bildungsferne oder Unzufriedenheit mit der politischen Großwetterlage befördert werden. Auch die pubertäre Suche nach Grenzerfahrungen, Anerkennung, Selbstwertgefühl, Akzeptanz, Statusgewinn und traditionellen Geschlechterrollen führt zu rechtsextremistischen Einstellungen und Verhaltensweisen.
Soziale Arbeit mit Rechtsextremisten
Die sozialpädagogische Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus ist ein anspruchsvoller und diffiziler Prozess, der neben grundlegendem Wissen auch Argumentationsfestigkeit, Hartnäckigkeit, Konsequenz und einen langen Atem erfordert. Dennoch: Es ist keine Option zuzusehen, ob und wie der Rechtsextremismus in unserer Gesellschaft hoffähig wird. Andererseits ist es naiv zu glauben, dass sich Rechtsextremismus heute lediglich auf Mitglieder und Sympathisanten rechter Parteien beschränkt.
Ob die Bekämpfung von Rechtsextremismus Aussicht auf Erfolg hat, wird kontrovers bewertet. Die einen befürchten den sprichwörtlichen Kampf gegen Windmühlen, der mit öffentlichen Geldern rechtsextreme Vernetzungsstrukturen verbessert. Die anderen sind überzeugt, dass etwa Präventionsangebote in Schulen und langfristige Handlungsprogramme durchaus Erfolgspotenzial haben. Doch die Wahrheit liegt aus unserer Sicht wie so oft in der Mitte.
Die sozial(pädagogischen) Handlungserfordernisse im Diskurs mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit konzentriert sich auf zwei Schwerpunkte:
- Präventive Verhinderung von rechtsextremen Orientierungen und Verhaltensweisen im Einstiegsprozess durch geeignete Angebotsformen wie Streetwork und Einzelberatung.
- Intensiver Dialog mit Kindern und Jugendlichen mit bereits ausgeprägten rechtsextremen Haltungen, um der weiteren Verfestigung mit Ausstiegshilfen, Trainingsmaßnahmen und zielgruppenorientierte Bildungsformate bzw. die Förderung der Distanzierung von Zugehörigkeiten und Orientierungen (Ausstiegsprozess) entgegen zu wirken.
Insbesondere bei Ausstiegsprozessen sind individuelle Analysen notwendig, um mögliche Gründe und Motive für die Hinwendung zum Rechtsextremismus aufzugreifen und daraus Handlungserfordernisse für einen Ausstieg zu entwickeln.
Motive für die Distanzierung vom Rechtsextremismus
Für viele Extremisten kommt das Eingreifen Sozialer Arbeit in den eigenen Reihen einer Gehirnwäsche gleich. Nichtsdestotrotz haben die für dieses spezielle Berufsfeld qualifizierten Sozialarbeiter den Anspruch, bei Radikalisierten Stück für Stück ideologische Zweifel zu wecken und zu verstärken, aber auch die Distanzierung von einstiegsgefährdeten und ausstiegswilligen Jugendlichen zu unterstützen. Dazu bedarf es fundierter Kenntnisse zu den Motiven für die Abkehr von rechtsextremen Ideologien. So können etwa unerfüllte Erwartungen (z. B. Verrat, Gewalt, Statusverlust und Isolation in der Gruppe, aber auch Überforderung und Angst vor Konsequenzen), moralische Zweifel an der Ideologie oder der Abscheu von Gewalt wirksame Argumentationsansätze bieten.
Zudem können sich veränderte Lebensplanungen, neue Interessen, individuelle Reifeprozesse sowie Wünsche nach Partnerschaft, Familie und beruflicher Verwirklichung dazu beitragen, die Zugehörigkeit zur rechtsextremen Szene kritisch zu hinterfragen.
Grundprinzipien in der sozialen Arbeit mit rechtsextremen Zielgruppen
In der Sozialen Arbeit mit Rechtsextremen oder Sympathisanten sind einige Aspekte besonders zu beachten:
- Die Arbeit mit der Zielgruppe erfordert feste Umgangsregeln, aber auch Grenzen. Die Einhaltung gesetzlicher Grundlagen (z. B. Schweigepflicht, Datenschutz) ist zwingend.
- Der Kampf gegen Rechtsextremismus ist ein langwieriger bzw. langfristiger Prozess, der von Fachkräftekontinuität und stabilen Netzwerkbeziehungen profitiert.
- Spürbare Erfolge setzen die Erarbeitung belastbarer Arbeitsbeziehungen zwischen Fachkraft und Klient (u. a. Verlässlichkeit, Vertrauen) sowie die freiwillige Mitarbeit der betreffenden Kindern und Jugendlichen voraus.
- Soziale Arbeit erfordert neben Vertraulichkeit (z. B. Arbeit in geschützten Räumen) auch eine kritische Akzeptanz der Lebenswelten rechtsextrem Orientierter durch die Sozialarbeiter.
- Die Arbeit mit rechtsextremen Kindern und Jugendlichen bedarf besonderer Beharrlichkeit, Konsequenz und gewisser Penetranz der Sozialpädagogen.
Neben den genannten Aspekten ist auch die Rolle des Multiplikators oder Sozialarbeiters als (politisch) gefestigte Persönlichkeit nicht zu unterschätzen! Fachkräfte haben das Ziel, bei ihren Zielgruppen Einstiege zu verhindern und Ausstiege zu fördern. Umgekehrt versuchen natürlich auch Klienten, Sozialarbeiter zu testen, zu beeinflussen oder einzuwickeln. Wachsamkeit ist also in jedem Fall empfohlen!
Zwischen Aufklärung und kritischer Auseinandersetzung
Trotz breiter Öffentlichkeitsarbeit, verschiedenster Publikationen und Fortbildungsangebote spiegelt sich in der konkreten Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus meist Unwissen- und Unsicherheit anstatt Professionalität wider. Auch Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Lehrer und Eltern sind meist nicht „sattelfest“, wenn es um handfeste argumentative Auseinandersetzungen geht. So profitieren Extremisten nicht nur von den Wahlslogans der NPD, die auf den ersten Blick durchaus des Volkes Seele treffen, sondern auch von fehlender Aufklärung und Planlosigkeit der demokratischen Parteien. Die Pegida-Bewegung mit ihren regionalen Ablegern komplett in die rechte Ecke zu schieben anstatt sich konsequent mit deren Bedenken auseinander zu setzen, ist eine Steilvorlage für bekennende Rechtsextremisten oder?
Doch wo finden wir eigentlich Informationen zu Rechtsextremismus?
Die Internetportale Jugendschutz.net setzen sich ebenso mit politischem Extremismus auseinander wie hass-im-netz.info, das zu Fragen Rechtsextremismus und Islamismus informiert, aber auch neben gesetzlichen Grundlagen interessante Berichte, Handouts und Seminarkonzepte für die sozialpädagogische Praxis liefert.
Auch auf Länderebene wurden verschiedene Internetportale wie berlin-gegen-nazis.de entwickelt, um die Gegner von Rechtsextremismus über Aktionen zu informieren und zum Mitmachen aufzurufen. Der Thüringer Beratungsdienst für Eltern, Kinder und Jugendliche hat im Jahr 2011 den Elternratgeber „RECHTS-das betrifft mein Kind?“ herausgegeben, der betroffenen Eltern als Handreichung dienen kann.
FAZIT:
Die gesellschaftliche und sozialpädagogische Intervention gegen Rechtsextremismus zählt zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. Neben einer fundierten Qualifizierung der Sozialarbeiter sind aber auch Politik und alle demokratischen Kräfte gefragt, ihre besondere Rolle im Kampf gegen Rechtsextremismus aktiv, konsequent und mit geeigneten Mitteln und Methoden zu untermauern. Niederschwellige Angebote, Streetwork, Einzelberatung und selbst die gezielte soziale Arbeit mit bereits Straffälligen reichen allein nicht aus.
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