Freizeiten und Soziale Arbeit – Konsens oder Widerspruch?

Central Park_LacrosseFreizeiten werden hauptsächlich während der Ferien angeboten, um Kinder, Jugendlichen oder Familien möglichst unbekümmerte gemeinsame Tage in der Gemeinschaft und außerhalb des eigenen Wohnorts zu ermöglichen. Für die Organisation und Durchführung derartiger Maßnahmen sind freie Träger oder Jugendämter besonders prädestiniert, weil sie im Vergleich zu kommerziellen Anbietern in der Regel auch über ein hohes Maß an sozialpädagogischem Know how verfügen.

Ausrichtungsorte, Zeiträume und spezielle Freizeitformen (z. B. Erlebnispädagogik) werden von den Trägern unter Berücksichtigung ihres spezifischen Profils vorbereitet. Zudem spielen die Fähigkeiten der begleitenden Betreuer eine besondere Rolle, von deren Kompetenzen und Geschick wesentlich der reibungslose Verlauf von Freizeitmaßnahmen abhängt.

Bei Personen, die Freizeiten meist während ihrer Semesterferien, als Teil des Praktikum oder aus persönlichem Engagement leiten oder betreuen möchten, wird in der Regel eine Jugendleiterausbildung vorausgesetzt. Damit stellen die Träger weitgehend sicher, dass die Betreuerinteressenten über grundlegende Kenntnisse im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit verfügen. Nichtsdestotrotz ist neben fachlichem Wissen auch individuelle Eignung, persönliche Reife und Lebenserfahrung erforderlich, so dass Freizeiten bei Unwägbarkeiten oder Notfällen nicht aus dem Ruder laufen.

Doch werden auch Freizeiten für Kinder, Jugendliche und Familien bald ein Fall für die Soziale Arbeit, weil Jugendleiter vor den Ansprüchen von Trägern und Eltern sowie den besonderen Wünschen von Kindern und Jugendlichen kapitulieren?

Die Jugendleitercard – Inhalte und Ziele der Jugendleiterausbildung

Die Ausbildung zum Jugendleiter erfolgt nach bundeseinheitlichen Standards und schließt mit der Jugendleitercard, auch JULEICA, ab, die wiederum für in der Jugendarbeit ehrenamtlich Tätigen gleichzeitig Legitimation und Qualifizierungsnachweis darstellt.

Die Ausbildung setzt einen anerkannten Erste-Hilfe-Nachweis voraus, dauert mindestens 30 Stunden und vermittelt Inhalte wie z. B.

  • Aufgaben und Funktionen von Jugendleitern und Befähigung zur Gruppenleitung,
  • Ziele, Methoden und Aufgaben der Jugendarbeit,
  • Rechts-, Haftungs- und Organisationsfragen in der Jugendarbeit,
  • psychologische und pädagogische Grundlagen für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sowie
  • Gefährdungspotenziale im Jugendalter in Verbindung mit Fragen des Kinder- und Jugendschutzes.

Zudem können die Bundesländer aktuelle Themen der Jugendarbeit wie Partizipation, interkulturelle Kompetenzen, internationaler Jugendaustausch, Gender Mainstreaming oder verbandsspezifische Schwerpunkte in die Ausbildung einbeziehen.

Nichtsdestotrotz kann eine etwa 30-stündige Jugendleiterausbildung nur einen sehr begrenzten Wissensumfang vermitteln und nicht auf alle möglichen Eventualitäten während einer Freizeit vorbereiten. Daher liegt es in Trägerverantwortung, mit der Auswahl und dem Einsatz kompetenter Betreuer einen wichtigen Beitrag zum Gelingen der Maßnahmen zu leisten.

Formen von Freizeitmaßnahmen

Freizeiten richten sich an verschiedene Zielgruppen, können auf besondere inhaltliche Schwerpunkte fokussieren (z. B. Umweltpädagogik, Naturkunde, Abenteuer- und Erlebnispädagogik) und / oder spezielle Ziele verfolgen.

  • Anerkannte freie Träger wie die Wohlfahrtsverbände, Sportjugend oder die Kirchen schreiben offene Maßnahmen aus, die sich etwa an alle Kinder und Jugendliche in einer festgelegten Altersspanne und aus verschiedenen Wohnorten richten. Ziel dieser Freizeiten ist in der Regel eine mehrtägige Feriengestaltung mit attraktivem Programm in einer Gruppe von weitgehend Gleichaltrigen und Gleichgesinnten.
  • Regional oder örtlich tätige Sport-, Kultur- oder Jugendvereine organisieren Freizeiten für einen festgelegten und untereinander bekannten Teilnehmerkreis (z. B. Gruppen- oder Vereinsmitglieder). Als Betreuer fungieren meist die in den Vereinen bzw. Gruppen ohnehin tätigen Übungs- oder Chorleiter sowie interessierte Eltern oder Helfer.
  • Die Freizeit richtet sich im Rahmen der Sozialraumarbeit an z. B. ausgewählte Besucher eines Jugendklubs, Mitglieder einer bestimmten Clique, sozial benachteiligte oder besonders problembelastete Kinder, Jugendliche und Familien, Migranten sowie Mädchen- oder Jungengruppen.

Jugendgruppenleiter, Sozialarbeiter oder beides?

Freizeit Fehman 2009Insbesondere offen ausgeschriebene Freizeiten bergen die Gefahr, dass in dem bunt gemischten Teilnehmerkreis verschiedenste Probleme hochkochen. So können etwa Kinder, die zum ersten Mal allein verreisen, (wieder) ins Bett nässen oder Heimweh entwickeln. Teilnehmer aus sozial schwachen Familien agieren als Leisetreter oder propagieren ihre Gleichberechtigung mit Kraftausdrücken und unangepasstem Sozialverhalten, wohingegen gut Situierte mit reichlich Taschengeld und technischer Komplettausstattung protzen. Jugendliche bringen Drogen, Alkohol und Waffen mit, um endlich so richtig die Sau rauslassen zu können. Manche machen jede Nacht zum Tag und schleichen heimlich in die Unterkünfte des jeweils anderen Geschlechts. Oder „Normalernährer“ treffen auf Vegetarier, Veganer, Laktoseintolerante oder Glutenunverträgliche.

Bei Vereinsfreizeiten ist die Gruppenzusammensetzung meist vorher bekannt. So wissen die Betreuer über schwierige Charaktere, häusliche Probleme, soziale Herkunft sowie Hobbys der Kinder und Jugendlichen Bescheid und können sich seelisch und moralisch darauf einstellen. Im Umkehrschluss kennen die Teilnehmer auch ihre Betreuer, so dass die Gruppe die Freizeit erst einmal beruhigt angehen kann.

Nichtsdestotrotz kann sich auch bei internen Maßnahmen eine (kontraproduktive) Gruppendynamik entwickeln. Allerdings sind insbesondere bei Verfehlungen von Vereinsmitgliedern auch Sanktionen durch den Verein möglich, so dass ein angemessener Druck durchaus erzieherische Wirkung haben sollte.

Bei Maßnahmen mit sozialpädagogischem Anspruch sind Freizeiten meist Mittel zum Zweck, da in einer gemeinschaftlichen Atmosphäre fernab von Jugendämtern oder sozialen Einrichtungen eine entspanntere und dennoch zielführende Arbeit möglich ist. So sind etwa abenteuer- und erlebnispädagogische Maßnahmen besonders geeignet, die individuellen Eigenschaften von Kindern, Jugendlichen oder Familien durch Grenzerfahrungen widerzuspiegeln, aber gleichzeitig die Wertigkeit des Team Spirit zu vermitteln.

Bei allen Unterschieden ist den Freizeiten eins gemeinsam: Für die Betreuenden, egal ob Jugendgruppenleiter, Trainer oder Sozialarbeiter, sind Freizeiten kein Urlaub, sondern eine hohe Verantwortung. Sie müssen in der Lage sein, während der Maßnahmen die Anforderungen des Trägers vollumfänglich umzusetzen, stets kühlen Kopf zu bewahren und ggf. Anliegen von Eltern einzuordnen, sachlich zu analysieren und angemessen zu reagieren, aber auch Freizeitaktivitäten mit Geschick, Motivation und Witz zu planen und durchzuführen, Finanzmittel zweckentsprechend einzusetzen und die Aufsichtspflicht wahrzunehmen.

 

FAZIT:

Alles easy? Keinesfalls! Bei offenen Freizeiten empfiehlt sich aufgrund vielfältig möglicher Zwischenfälle SP_logo16_Fazitder Einsatz von sozialpädagogisch vorgebildeten und erfahrenen Leitern, die in Kooperation mit pflichtbewussten Jugendleitern die Maßnahme sicher im Griff behalten und damit zugleich der Trägerverantwortung gerecht werden.

Vereinsmaßnahmen werden meist von Übungs- oder Gruppenleitern sowie engagierten Helfern betreut, die sich bereits während (spezifischer) Lizenzaus- oder Weiterbildungen Kenntnisse im Bereich der Jugendarbeit sowie Aufsichtsplicht und Haftung angeeignet haben. Nichtsdestotrotz ist eine Jugendleiterausbildung immer von Vorteil, auch wenn es ggf. um eine bezahlte Freistellungen geht!

Für Maßnahmen mit ausgewählten Gruppen und einem geplanten sozialpädagogischen Ziel ist der Einsatz von Sozialarbeitern und Sozialpädagogen unerlässlich. Nur mit besonderer Fach- und Sozialkompetenz kann es nachhaltig gelingen, Vertrauen zu den Klienten aufzubauen und mit geeigneten Mitteln und Methoden soziale Auffälligkeiten, Abhängigkeitserkrankungen, extreme Einstellungen und Gewalterfahrungen zu bearbeiten, aber auch Menschen mit Behinderung oder Migranten zu integrieren.

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