Soziale Arbeit und Vormundschaften
Auch wenn Vormundschaften meist mit negativen Assoziationen besetzt sind, spielen sie in der Sozialen Arbeit eine wichtige Rolle.
Während früher meist nur Waisenkinder einen Vormund erhielten, können heute neben dem Tod der Eltern auch schwere Erkrankungen, der Entzug des Sorgerechts (z. B. wegen Misshandlung oder Verwahrlosung), aber auch bei Findelkindern, bei denen der Familienstand nicht ermittelt werden kann, zu einer Vormundschaft oder ggf. Erziehungspflegschaft führen. Zudem werden aktuell auch für die ohne Eltern eingereisten minderjährigen Flüchtlinge (UMF) Vormünder bestellt.
Vormundschaften können entweder von Amts wegen – das Jugendamt ist ohne Entscheidung des Familiengerichts gesetzlicher Amtsvormund, wenn eine unverheiratete Minderjährige ein Kind bekommt und der Vater unbekannt ist bzw. die Vaterschaft angefochten hat, aber auch bei Adoptionsfreigabe – oder vom Familiengericht angeordnet werden.
Bei einer Vormundschaft entzieht das Familiengericht den Eltern die Verantwortung für ihr Kind und übertragt diese ersatzweise einem anderen Erwachsenen. Der Vormund übernimmt also anstelle der Eltern die persönliche und rechtliche Vertretung, kümmert sich um die Unterbringung im Heim, bei einer Pflegefamilie oder im betreuten Wohnen – das Wohnen in einem gemeinsamen Haushalt ist nicht üblich -, trägt die Vermögenssorge und ist damit eine zentrale Person im Leben aller Beteiligten.
Sofern den Eltern nur eine Teilverantwortung entzogen wird – etwa die Beantragung von Hilfen zur Erziehung oder die Bestimmung über den Wohnort des Minderjährigen – dann wird das Kind nur in bestimmten Angelegenheiten wie bei der Aufenthaltsbestimmung, der Beantragung von Jugendhilfeleistungen, der medizinischen Versorgung sowie schulischen oder beruflichen Belangen rechtlich durch einen Ergänzungspfleger bzw. Pfleger vertreten.
Übrigens: Laut Erhebung des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2014 standen mehr als 35.800 Kinder und Jugendliche unter einer bestellten sowie über 5.300 unter gesetzlicher Amtsvormundschaft. Bei über 30.700 Fällen hatte das Familiengericht wegen Kindeswohlgefährdung über eine Vormundschaft zu entscheiden.
Vormundschaft und Entmündigung – gibt’s das nur im Kino?
Für Erwachsene, die sich nicht mehr um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern können und hilfsbedürftig im Sinne des Gesetzes sind, wird heute ein Betreuer bestellt, dem z. B. die Personen-, Gesundheits- und Vermögensfürsorge obliegt. Entmündigt wird also niemand mehr.
Allerdings ging vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Rechts der Vormundschaft und der Pflegschaft für Volljährige im Jahr 1992 einer Vormundschaft wirklich eine Entmündigung voraus, die den Betroffenen alle Rechte und meist auch den Willen nahm.
Vormund = Sozialarbeiter?
Nein! Prinzipiell kann jeder Erwachsene (z. B. Großeltern, Einzelpersonen, Ehepaare, Vereine) durch das Familiengericht zum Vormund bestimmt werden, da formal keine fachliche Mindestqualifikation notwendig ist.
Ist jedoch kein Erwachsener für diese verantwortungsvolle Aufgabe geeignet, wird ein Bediensteter des Jugendamtes ohne richterliche Anordnung zum Vormund (gesetzlicher Amtsvormund) bestimmt, der über eine entsprechende fachliche Ausbildung, Berufserfahrung und soziale Kompetenzen verfügen, aber auch mit Organisationsabläufen sowie Rechts- und Verwaltungsfragen vertraut sein sollte.
Wichtig! Vormünder agieren weisungsfrei und unabhängig von beruflichen Hierarchien. Sie vertreten die Interessen des Minderjährigen und nicht die seines Arbeitgebers! Deshalb kommen Sozialarbeiter, die z. B. in Heimen oder Pflegefamilien lebende Klienten im Rahmen von Hilfeplänen betreuen, beraten, von Amts wegen unterstützen und einen dienstlichen Auftrag erfüllen, nicht als Vormund in Frage, weil sie die Rechte der Kinder und Jugendlichen gegenüber Behörden als Personensorgeberechtigte schwerlich durchsetzen können. Eine Personalunion von Vormund und Sozialarbeiter bzw. Sozialem Dienst ist nicht möglich!
Rechte und Pflichten eines Vormundes
Ein Vormund entscheidet über grundsätzliche Lebensangelegenheiten des Mündels wie die Art seines Zuhauses, die Schule, den Ausbildungsvertrag, ggf. notwendige Operationen oder Elternkontakte (§ 1626 Abs. 2 BGB).
Optimale Grundlage für ein förderliches Verhältnis zwischen Vormund und Mündel ist persönliches Vertrauen, das sich weniger aus monatlichen Alibibesuchen und der Pflege von Mündelakten, sondern aus regelmäßigen Treffen und einem kreativen Gestaltungswillen entwickelt. Nur so kann es gelingen, die individuellen Interessen von Mündeln zu berücksichtigen, Entscheidungen gemeinsam abzuwägen und zu treffen, auf Krisen rechtzeitig zu reagieren und das Sorgerecht aktiv auszuüben.
Wenn Vormund und Kind bzw. Jugendlicher zu besonders lebensrelevanten Themen keinen Konsens finden, sind zuerst sachliche Auseinandersetzungen eine geeignetes Mittel für gemeinsame Entscheidungsfindungen. Nur wenn sich die Fronten dauerhaft verhärten und das Verhältnis zum Vormund schwierig ist, kann ggf. eine neue Vertrauensperson bestellt werden.
Die Vormundschaft endet mit dem 18. Geburtstag des Mündels.
Eltern und Vormund
Trotz familiärer Krisen und der gerichtlichen Entscheidung zur Bestellung eines Vormunds spielen die Eltern im Leben der betroffenen Kinder und Jugendlichen eine wichtige Rolle. Daher ist es hilfreich, wenn sich die Eltern auch mit dem Vormund in vielen Fragen wie etwa bei der Regelung des Umgangs beraten und abstimmen.
Vormundschaften für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
In den letzten Monaten haben sich Vormundschaften für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus Krisengebieten zu einer zentralen Frage bei Jugendämtern oder Vereinen entwickelt. Daraus erwachsen für die Vormünder über die allgemeinen Aufgaben hinaus weitere Herausforderungen wie etwa
- die Vertretung der Kinder / Jugendlichen in Fragen des Ausländerrechts und beim Asylverfahren vor Behörden und Gerichten,
- die Sicherung des Lebensunterhalts,
- die Sorge um Geburtsurkunde und Ausweispapiere,
- die Hilfe bei der Überwindung von Sprachbarrieren und
- die intensive Mithilfe bei der Perspektiventwicklung für den Aufenthalt in Deutschland oder ggf. die Rückkehr ins Heimatland.
Als Vormund für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden auf kommunaler Ebene interessierte Ehrenamtliche gesucht, die neben der rechtlichen Vertretung als persönliche Ansprechpartner, Berater, Begleiter und Sorgeberechtigter bei Fragen wie Unterbringung, ärztlicher Versorgung, Schule, beruflicher Integration und als Netzwerker fungieren.
Vormundschaft und Sozialer Dienst – Feuer und Wasser?
Nein! Vormünder und Sozialer Dienst verfolgen zwar auf den ersten Blick verschiedene Zielrichtungen, aber nichtsdestotrotz erfordert das Wohl der Mündel ein förderliches Rollenverständnis und ein abgestimmtes gemeinsames Vorgehen.
Während Vormünder nach geltendem Recht verpflichtet sind, persönliche Kontakte zu den Mündeln zu pflegen und deren Interessen durchzusetzen, entscheiden die Sozialen Dienste in Jugendämtern über die Gewährung von Leistungen (z. B. Hilfen zur Erziehung), beraten Pflegefamilien in Erziehungsfragen und prüfen, ob sich die Erziehungsvoraussetzungen bei den Eltern insoweit verbessert haben, dass Minderjährigen wieder in ihr Elternhaus zurückkehren können.
Gut zu wissen
Vormundschaften können von ehrenamtlichen Vormündern, einem Amtsvormund, Vormundschaftsvereinen oder Berufsvormündern ausgeübt werden. Da es für eine Tätigkeit als Vormund keine gesetzlich vorgeschriebene Ausbildung gibt, aber dennoch Fachwissen und Lebenserfahrung notwendig ist, werden von einigen Bildungsträgern Seminare, Lehrgänge und Zertifikatskurse angeboten.
Übrigens haben ehrenamtliche Vormünder keinen Anspruch auf eine Vergütung, sondern lediglich auf den Ersatz von Aufwendungen bzw. eine pauschale Aufwandsentschädigung!
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