Sozialpsychologie und Soziale Arbeit
Ein bisschen Psychologie ist überall dabei, etwa auch im breiten Einsatzspektrum der Sozialen Arbeit? Auf jeden Fall!
Die Sozialpsychologie (Psychologie in der Sozialen Arbeit), Teilgebiet der Psychologie und Soziologie, erforscht unser soziales Miteinander:
- die individuelle und kollektive Gestaltung von sozialen Beziehungen,
- die breiten Vielfalt menschlicher Eindrücke und des Erlebens,
- die Einflüsse von anderen Personen auf unser Denken, Fühlen und Handeln sowie
- die Veränderungen des sozialen Umfeldes durch unser eigenes Handeln.
Allerdings weisen wir hier nur beispielhaft auf praxisrelevante Bezüge hin und überlassen die wissenschaftliche Betrachtung doch besser den Experten.
Fakt ist: Für das berufliche Handeln von Sozialarbeitern ist grundlegendes psychologisches Fachwissen unerlässlich, sei es, um den verschiedenen Zielgruppen gerecht zu werden, ihre Handlungen nachzuvollziehen, kompetent zu beraten oder intervenierend einzugreifen.
Ist Sozialpsychologie praxistauglich?
Beim Blick durch die Sozialarbeiter-Brille könnte der Eindruck entstehen, dass Sozialpsychologie eher einer „brotlosen Kunst“ gleicht und die tägliche Arbeit kaum tangiert. Falsch gedacht, denn Sozialpsychologen bearbeiten eine Vielzahl sozialpädagogisch relevanter Fragen wie etwa die mögliche Beeinflussung (Manipulation?) von Einstellungen, die Entstehung und Überwindung von Vorurteilen, die Auswirkung von Medieneinflüssen z. B. auf Aggressivitätspotenzial und Gewaltbereitschaft, aber auch das Verhalten in sozialen Beziehungen in puncto Kommunikation und Auseinandersetzung mit Konflikten. Auch die Rolle von Einzel- oder Gruppenarbeit ist in der Sozialpsychologie eine zentrale Frage.
Manipulation des Denkens
Haben Sie sich schon mal gefragt, inwieweit Sie beeinflussbar sind und wenn ja, durch welche Faktoren? Wir behaupten, dass sich viele von uns durch Freunde aus der Clique oder Familienmitglieder relativ schnell „einwickeln“ lassen würden, wenn es um Themen geht, für die wir empfänglich sind. Dagegen sind jedwede Beeinflussungsversuche von weniger gut Bekannten erst nach einiger Zeit oder nur teilweise erfolgreich, da in diesen Prozessen neben dem sozialen Umfeld, Persönlichkeitsstärke und Bildungsniveau auch Sympathie, Emotionen und tiefe innere Sehnsüchte eine dominierende Rolle spielen.
Tatsachen werden subjektiv wahrgenommen und interpretiert – eine Tatsache und 50 verschiedene Sichtweisen. Personen oder mediale Einflüsse beeinflussen kurzfristig oder über einen längeren Zeitraum unsere Meinungsbildung, das Verhalten oder die individuelle Orientierung an bestimmten Normen und Einstellungen. Die Folgen sind teilweise dramatisch, denn genau diesen Umstand machen sich heute z. B. Gruppen mit extremistischen Orientierungen (siehe auch unseren Beitrag Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit) zunutze. Da sich insbesondere Kinder und Jugendliche über sozialen Einfluss, Kräfteverhältnisse, Identifikation, Selbstwert und soziale Herkunft definieren, sind sie, gruppendynamischen Prinzipien folgend, für die Einflussnahme auf die politische Meinungsbildung und die Verschiebung gesellschaftlicher Normen geradezu prädestiniert. Ganz nach dem Motto: „Freundschaft“ verbindet oder Gehirnwäsche leicht gemacht.
Auch bei der Rückfallprävention von jugendlichen Straftätern, in der Bewährungshilfe, der Drogen- und Suchthilfe sowie der Schuldnerberatung spielen das soziale Umfeld sowie personale und situative Einflüsse eine zentrale Rolle. Nur wenn es Sozialarbeitern gelingt, Klienten aus ihrem bisherigen Fahrwasser zu ziehen – schädliche soziale Kontakte „abzuschneiden“ und stabilisierende unterstützende Elemente in den Alltag zu integrieren, förderliche Netzwerke zu bilden und in den Hilfeprozess einzubeziehen – aber auch glaubhaft zu vermitteln (beeinflussen), dass es sich lohnt, gesellschaftlichen Werte und Normen anzuerkennen anstatt mit wehenden Fahnen einer Ideologie oder einem Rausch zu folgen.
Sozialpsychologie zum Anfassen?
Sozialpsychologie setzt sich nicht nur mit rein (sozial)politischen, sondern auch einer Reihe weiterer spannender Fragen auseinander: Verleitet etwa Gruppenarbeit dazu, die Arbeit bzw. Aufgaben auf andere abzuwälzen und sich selbst auszuruhen? Werden wir Menschen bereits als aggressive Egoisten geboren oder können wir auch anders? Ist uns die Abneigung gegen Fremde(s) eigen oder ist Offenheit bzw. Unvoreingenommenheit auch eine Option? Sind wir von Geldgier geprägt oder können wir auch durch Bescheidenheit glänzen? Warum lassen wir uns leichter für Seichtes und grenzenlose Niveaulosigkeiten (z. B. Fernsehsendungen wie Frauentausch oder Dschungelcamp) begeistern als für streitbare Themen oder ein gutes Buch?
Wie bereits gesagt … eine Tatsache und mindestens 50 verschiedene Meinungen.
Weitere sozialpsychologische Anwendungsgebiete
Sozialpsychologische Fragestellungen ergeben sich aus der gesellschaftlichen Entwicklung. Daher spielen sozialpsychologische Theorien, Erkenntnisse und Strategien nicht nur in der Sozialen Arbeit, sondern auch in verwandten Anwendungsgebieten eine wesentliche Rolle.
Beispielhaft seien genannt:
- die Gesundheitspsychologie (z. B. soziale Unterstützung, Vermeidung gesundheitlichen Risikoverhaltens),
- die Organisationspsychologie mit Personalauswahl, Leistungsbewertung, Mitarbeiterführung und Motivation, der Entwicklung sozialer Kompetenzen sowie der Mobbing-Prävention
- die klinische Psychologie (z. B. Beziehungen zwischen Therapeut und Klient, Wirkung gruppentherapeutische Maßnahmen),
- die Pädagogische Psychologie (z. B. Gruppenzusammensetzung, Einbeziehung von Schülern bei der Unterrichtsgestaltung),
- die Rechtspsychologie (z. B. Glaubwürdigkeit von Zeugen, Urteilsbildung von Richtern),
- die Markt- und Werbepsychologie (z. B. Wirkung von Werbebotschaften auf das Kaufverhalten),
- die politische Psychologie (z. B. Förderung politischen Engagements, Bekämpfung der Ausländerfeindlichkeit).
Unabhängig vom Anwendungsgebiet sucht die Sozialpsychologie zwar nach zu vereinheitlichenden Regeln menschlichen Erlebens und Verhaltens unter konkreten Bedingungen, stößt aber wegen der nicht definierbaren Vielfalt an individuellen Auslegungen, Meinungen, Verhaltensweisen und Einflussfaktoren inhaltlich (fast) an keine Grenzen.
Schnittstelle Kommunikation
Kommunikation ist alles – dies gilt ebenso für die Sozialpsychologie. Mit der richtigen Ansprache und gezielt gewählten Worten ist (fast) alles vermittel- und erreichbar. Problematisch wird es allerdings dann, wenn zwischen blumigen Worten Falschinformationen oder Hetzparolen versteckt werden.
Aus Arbeitnehmersicht ist es sicher wünschenswert, wenn Führungskräfte aller Ebenen ihr sozialpsychologisches Wissen täglich zur Anwendung bringen würnde. Wie gesagt … Kommunikation macht (fast) alles möglich, Nicht-Kommunikation macht vieles zunichte.
Sozialpsychologie studieren
In Soziale Arbeit und Psychologie Studiengängen spielt das Thema Sozialpsychologie längst eine zentrale Rolle. Diejenigen, die sich für ihren beruflichen Einsatz grundlegendes sozialpsychologisches Wissen aneignen möchten, können etwa bei der APOLLON Hochschule für Gesundheitswirtschaft oder der PFH Göttingen ein dreimonatiges Zertifikatsstudium absolvieren, das Schwerpunkte wie soziale Interaktion und Einfluss, Konformität, sozialer Druck und Individualität, Wesensmerkmale und Funktionen von sowie Leistung, Meinungsbildung und Entscheidungsfindung in Gruppen einschließt.
FAZIT:
Soziale Arbeit und Sozialpsychologie sind untrennbar miteinander verbunden. Jeder soziale Hilfeprozess setzt bei Sozialarbeitern sozialpsychologisches Wissen voraus, um die Verhaltensmuster von Klienten bzw. Zielgruppen zu verstehen und mit ihnen zielgerichtet zu arbeiten. Wenn es gelingt, auf sie so Einfluss zu nehmen, dass sie die sozialarbeiterischen Argumente und Hilfeangebote als Teil ihres zukünftigen Verhaltens und als Lebenseinstellung verstehen, hat Soziale Arbeit ein wichtiges Teilziel erreicht.
Tags:Soziale Arbeit, Sozialpsychologie