Ist Soziale Arbeit weiblich?

Ist soziale arbeit weiblich?Wird der Bereich der Sozialen Arbeit von Frauen dominiert? Nach unserem Eindruck eindeutig ja. Unser Internetportal spricht gefühlte 99 % Frauen an, die entweder Beiträge lesen, liken oder sich mit Inhalten aktiv auseinandersetzen.

Doch wo sind die Männer? Sind sie einfach nur schreibfaul – übrigens nach unseren Erfahrungen eine durchaus gängige Erklärung – oder tun sie sich eher schwer, sich mit Sozialarbeit / Sozialpädagogik zu identifizieren?

Männer und Soziale Arbeit

Männer entscheiden sich oftmals für ein Studium Soziale Arbeit, weil sie ihre persönlichen Fähigkeiten, Denkweisen und Verhaltensmuster gerade in sozialen Tätigkeitsbereichen verwirklichen möchten. Die Umsetzung alternativer und unkonventioneller Handlungsansätze sowie selbstständiges und eigenverantwortliches Arbeiten scheint hier deutlich besser möglich als in Unternehmenshierarchien, in denen kreative Ideen oder Entscheidungsbefugnis der Mitarbeiter oftmals weniger gefragt sind oder eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten organisatorisch einfach nicht möglich sind.

Andererseits bestätigt die berufliche Praxis, dass Sozialpädagogen bzw. Sozialarbeiter als „weich gespült“ gelten, weil in sozialen Berufsfeldern für Macht, Karriere, Dienstreisen rund um den Globus, Telefonkonferenzen, Anzug oder Dienstwagen – alles Begriffe, die wir im traditionellen Rollenbild eher den Männern zuordnen – kein Platz ist.

Bloß gut, dass sich auch männliche Interessen und Neigungen unterscheiden, denn wir kennen eine Reihe von professionell tätigen Sozialarbeitern, die sich bereits seit vielen Jahren in Sozialräumen, Kinder- und Jugendeinrichtungen oder im Kinder- und Jugendschutz selbstlos engagieren.

Geballte Frauenpower im Sozialwesen

Doch zurück zu den Frauen. Laut Statistischem Bundesamt rangieren Frauen im Ranking der 20 am stärksten besetzten Studienfächer bei den Erziehungswissenschaften / Pädagogik, Sozialer Arbeit und Sozialwesen auf den Plätzen 5, 11 und 14, bei den Männern finden sich alle genannten Fächer jenseits des 20. Platzes.

Der aktuelle Datenreport der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft besagt, dass sich im Studienjahr 2014/2015 über 12.000 Studienanfänger in erziehungswissenschaftliche Bachelor Studiengänge eingeschrieben haben. Damit studieren aktuell 38.000 in Bachelor und 13.000 in Master Studiengängen, davon sind etwa 80 % Frauen.

Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln kommt in seiner Studie „Fachkräfteengpässe in Unternehmen – Geschlechterunterschiede in Engpassberufen“ vom Juli 2015 zu dem Ergebnis, dass Frauen in weniger Berufen, dafür aber in Berufsfeldern mit meist hohen Beschäftigungszahlen arbeiten. So sind etwa im Bereich Gesundheit, Soziales und Bildung erzieherisch tätige Aufsichtskräfte, Sozialarbeiter und Heilerziehungspfleger zu 95,9 Prozent weiblich, in der Gesundheits-, Kranken- und Altenpflege immerhin noch stolze 85%.

Auch unser kreisliches Jugendamt glänzt mit einem Frauenanteil von 82 %. Der Leiter ist allerdings ein Mann.

Sind Frauen sozialer eingestellt? „Können“ sie besser mit Kleinkindern, Kranken, Alten oder Menschen mit Behinderungen? Oder sind ihnen Postengerangel, Gehaltsverhandlungen und das eigene Ego einfach nicht so wichtig?

Ganze Kerle sind gefragt

Dennoch: Soziale Arbeit braucht nicht nur Frauenpower, sondern auch Männer, die sich mit ihre ganzen Wissen, Erfahrungen, Werten, Normen und Stärken tagtäglich mit Kleinkindern in der Frühpädagogik, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Arbeit mit Suchtkranken oder Flüchtlingen, aber auch in der Altenarbeit, Sonderpädagogik und den Herausforderungen der Inklusion aktiv und intensiv auseinandersetzen.

Während einer Freizeit, also einem begrenzten Zeitraum, mit Kindern Fußball zu spielen, tropfende Nasen zu putzen, die Kissenschlacht zu verhindern, bei ersten sexuellen Erfahrungen aufzuklären oder Kontakte mit Zigaretten, Alkohol und Drogen abzuwenden, sind die eine Sache. Langwierige und wechselhafte sozialpädagogische Prozesse und Interaktionen mit besonderen Zielgruppen oder schwierigen Klienten sind die andere. Neben komplexem Fachwissen spielen soziale Kompetenzen, der persönliche Umgang und Empathie, aber auch ein langer Atem und eine positive Penetranz eine zentrale Rolle.

Erfolg ist nicht gleich Erfolg

Insbesondere für die (männlichen) Sozialpädagogen und Sozialarbeiter ist der sprichwörtliche „Haken“ an der Sozialen Arbeit die Nichtmessbarkeit des Erfolges trotz bester Zielplanung und Qualitätsmanagement.

Bilanzen von Wirtschaftsunternehmen, die am Ende eines jeden Geschäftsjahres öffentlichkeitswirksam präsentiert werden können, sind – egal ob mit positivem oder negativem Ergebnis – für jeden nachvollziehbar und griffig, sind aber unabhängig von äußeren Einflussfaktoren auch ein Spiegelbild für die Fähigkeit oder eben Unfähigkeit der Geschäftsführung.

In der Sozialen Arbeit hingegen geht es meist weniger nach Schema, sondern wir vergleichen Äpfel mit Birnen und messen Erfolge nicht vordergründig am notwendigen Finanzaufwand. Klienten lassen sich von Sozialarbeitern nicht wie Figuren auf dem Schachbrett in die gewünschte Zielrichtung schieben, sondern soziale Prozesse werden von vielerlei Faktoren wie z. B. Familie, soziales Umfeld oder gesellschaftliche Stellung beeinflusst. In diesen Netzwerken kann auch der beste Sozialpädagoge an seine Grenzen kommen oder ggf. scheitern.

Sind Niederlagen männlich? Ist Scheitern männlich? NEIN – Klischee hin oder her.

Anerkennung gleich Motivation

Haben Sie schon mal einen Sozialpädagogen auf dem Titelblatt einer Hochglanzbroschüre gesehen? Wurde schon mal ein Imagefilm über Sozialarbeiter gedreht? Welches Bild vermitteln die Medien vom Sozialwesen?

Erfolgreiche Manager oder peinliche Persönlichkeiten, aber auch Streetworker in dunklen Stadtvierteln, überfüllte Altenheime, überforderte Lehrer und Erzieher, Katastrophen bei der Integration von Flüchtlingen, Probleme bei der Inklusion oder neue Drogenmischungen bestimmen schon eher die tägliche Berichterstattung und öffentliche Meinungsbildung.

FAZIT:

Warum wundern wir uns eigentlich, dass sich besonders Männer schwer tun, in soziale Berufe einzusteigen? Weil auf SP_logo16_FazitDesinteresse, Ignoranz, rümpfende Nasen und das Fußabtreterimage jeder gut verzichten kann, wenn er denn die Wahl hat.

Vor denjenigen, die aus innerster Überzeugung Sozialpädagoginnen oder Sozialpädagogen sind und sich von allen hemmenden Einflüssen nicht klein kriegen lassen, ziehen wir den Hut. Ohne Sie könnten wir den Laden schon lange zuschließen, auch wenn Sie das nicht wirklich trösten mag.

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