Soziale Arbeit mit Flüchtlingen – zwischen Trauma, Gesetzen und Fremdenfeindlichkeit

Soziale Arbeit mit AusländernFast täglich erreichen uns Meldungen zu weiteren Flüchtlingszahlen, wir erleben emotionale Diskussionen zu Standorten von Gemeinschaftsunterkünften, hören von fremdenfeindlichen Übergriffen oder der Planung von islamistischem Terror direkt vor unserer Haustür. Das macht uns Angst und unsicher, führt zu Teilungsängsten und Ungerechtigkeitsempfinden, bietet aber auch Ansatzpunkte für fremdenfeindliche Propaganda und rassistisch motivierte Gewalt.

Willkommenszentren sind eine Geste, mehr nicht. Die Flüchtlingspolitik erfordert neben einer breit angelegten und offensiven Aufklärung der Bevölkerung über Asylverfahren und die Leistungen, die Flüchtlinge nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten können, nicht nur ein professionelles Handling von Kommunen und Sozialämtern vor Ort, sondern greift zunehmend nicht nur in das Tätigkeitsfeld von Erziehern und Lehrern, sondern auch von Sozialarbeitern und Sozialpädagogen ein.

Flüchtlingssozialarbeit zieht sich durch alle Zielgruppen Sozialer Arbeit – von Kindern und Jugendlichen über Familien bis hin zu anerkannten (Asylberechtigte), geduldeten oder illegalen Flüchtlingen. Wir werden von einer Welle interkultureller Unterschiede, psychischer Problemlagen und Sprachenvielfalt, aber auch differenzierten Fragen des Asylrechts, des Flüchtlingsschutzes oder zur Abschiebung regelrecht überrannt. Auch in der Sozialen Arbeit sind wir auf viele dieser Fragen gar nicht oder unzureichend vorbereitet!

Was wissen wir überhaupt über unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, das Wohnen in Gemeinschaftsunterkünften, den Tagesablauf, Arbeitsmöglichkeiten oder die aktuelle Rechtslage? Können wir uns überhaupt vorstellen, welche Umstände Menschen zum Verlassen ihrer Heimat zwingen?

Flüchtlinge als Zielgruppe Sozialer Arbeit

Neben Frauen, Männern und Familien flüchten auch Minderjährige vor Gewalt, Bürgerkrieg, drohendem Kriegsdienst oder Verfolgung aus ihren Heimatländern und kommen mit teils schweren traumatischen Erfahrungen nach Deutschland. Daher ist die schnelle Regelung der Formalitäten ebenso notwendig wie die sozialpädagogische Beratung und Fürsorge.

Aber: Die Betreuung von Flüchtlingen bewegt sich stets im Spannungsfeld zwischen sozialpädagogischem Handeln und Kinderschutz sowie dem geltenden Ausländer- und Asylrecht. Während sich die sozialpädagogischen Ziele auf die Herstellung von Vertrauen, die Förderung der Integration und den Aufbau von realistischen Zukunftsperspektiven der Flüchtlinge richten, erschweren oder verhindern die Regelungen des Ausländer- und Asylrechts derartige Entwicklungsprozesse. Situationsverschärfend kommt hinzu, dass es bisher nur wenige Kenntnisse, Erfahrungen und sozialpädagogische Standards zu Traumata und ihren Folgen insbesondere bei jungen Flüchtlingen gibt und Sozialarbeiter bei derartigen komplexen Problemlagen an ihre Grenzen stoßen.

Anforderungen an die Soziale Arbeit mit Flüchtlingen

Insbesondere für den Umgang mit traumatisierten Flüchtlingen sind Hilfen notwendig, die die Betroffenen auffangen, ihre Bedürfnisse nach Sicherheit und realistischen Zukunftsperspektiven berücksichtigen sowie Vertrauen, Optimismus, Beziehungen, Identitätsentwicklung und ein weitgehend strukturiertes Alltagsleben ermöglichen. Weitere Handlungsnotwendigkeiten sind die Bewältigung von Ängsten, die therapeutische Behandlung von Depressionen, Schlaflosigkeit und Gewalterfahrungen, der Abbau von Schuldgefühlen, die Lösung von Kommunikationsproblemen und eine psychische Stabilisierung in einem sozialen Umfeld.

Gleichzeitig sind aber auch falsche bzw. überhöhte Erwartungen der Flüchtlinge an ein Leben in Deutschland zu entkräften, die anderenfalls zu tiefer Enttäuschung, Heimweh und weiterer Perspektivlosigkeit führen (können).

Eine konsequente und erfolgreiche soziale Betreuungsarbeit mit Migranten und Flüchtlingen kann letztendlich nur gewährleistet werden, wenn das Aufenthaltsrecht der Flüchtlinge gesichert ist. Erst dann bieten sich erfolgversprechende Ansatzpunkte für eine soziale Integration. Zudem brauchen Sozialarbeiter oder Betreuer kurzfristig spezifische Kenntnisse zu interkulturellen Unterschieden, gesellschaftlichen Bedingungen der Herkunftsländer, geeigneten therapeutischen Angeboten und Geschlechterrollen, aber auch zu Fragen des Aufenthaltsrechts und Netzwerkpartnern, so dass sie überhaupt in der Lage sind, Brücken von den jeweiligen Heimatkulturen zur neuen Gesellschaft zu bauen.

Spagat zwischen Hilfe, Kontrolle und Umfeld

Sozialarbeiter, die mit Flüchtlingen arbeiten, stehen (meist) in einem ständigen Interessens- und Vertrauenskonflikt, sitzen zwischen allen Stühlen. Einerseits haben sie den Auftrag, Flüchtlingen einen weitgehend strukturierten Tagesablauf zu ermöglichen, ein vertrauensvolles Verhältnis herzustellen, sie in ein förderliches soziales Umfeld zu integrieren, bei allen Problemlagen zu beraten und bei Behördengängen zu begleiten – als Fürsprecher zu wirken.

Andererseits sind Sozialarbeiter an die geltende Gesetzgebung und behördliche Auskunftsverpflichtungen gebunden, was zu kontraproduktivem Vertrauensverlust und Unverständnis bei den Flüchtlingen führen kann. Darüber hinaus sind Sozialarbeiter oder Betreuer bei der Methodik und Umsetzung ihrer fachlichen Ziele an Trägerinteressen (z. B. Arbeitgeber, Träger von Sammelunterkünften) gebunden, unterliegen engen finanziellen Zwängen und können wegen ihrer Arbeit mit Flüchtlingen selbst zur Zielscheibe fremdenfeindlicher Attacken werden.

 

FAZIT:

Die Politik hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht! Sie schafft Tatsachen und schiebt den „schwarzen Peter“  auf Kommunen und damit Sozialarbeiter, Erzieher, Lehrer bzw. Betreuer vor Ort ab anstatt einen breiten SP_logo16_FazitDialog mit allen Beteiligten zu führen und sich mit deren Ängsten und Sorgen ernsthaft auseinanderzusetzen.

Sozialarbeiter, aber auch Erzieher und Lehrer sollen in diesem Sandwich von unterschiedlichen Interessen, Vorurteilen und Befindlichkeiten Wunder vollbringen. Doch neben Geduld, Toleranz, Flexibilität, Sprachtalent, Fingerspitzengefühl und einem ausgeprägten Netzwerkdenken sind auch fundiertes Fachwissen zum Ausländer- und Asylrecht sowie interkulturelle Kompetenz nötig.

Da diese Aspekte in sozialen oder pädagogischen Studiengängen bisher nicht tiefgründig bearbeitet werden, sind spezifische themenbezogene Weiterbildungen notwendig, die diese inhaltlichen Wissenslücken schnellstens füllen. Der 4-semestrige berufsbegleitende Master Studiengangs „Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession“ der Alice-Salomon-Hochschule Berlin mit dem Abschluss Master of Social Work (MSW) behandelt zwar Menschenrechtsthematiken im In- und Ausland, kommt aber dennoch für eine kurzfristige Wissensaneignung nicht in Frage.

 

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